Wie die Transformation toller Ideen gelingt
Beitrag von Hannah Nowak und Claudia Simon
In unseren disruptiven und volatilen Zeiten gibt es Ideen zuhauf – sowohl in den Köpfen der Menschen als auch auf den Fluren der Unternehmen. Unzählige Informationen und die Anforderungen des steten Wandels fordern und fördern dies. Allerdings wächst damit auch eine Herausforderung. Die Herausforderung, tolle von weniger tollen Ideen zu unterscheiden – und das unter der Voraussetzung, dass alles immer eine Frage der individuellen Darstellung, Betrachtung und Beurteilung ist.
Die Theory of Constraints basiert auf der Grundannahme, dass nichts zu komplex ist, um es zu verstehen, und dass das menschliche Verhalten im Grunde logisch ist. Ein Grund mehr, sich zunächst selbst darüber klar zu werden, welche Idee lohnenswert genug ist, dass man weiter (gedanklich) an ihr arbeitet, sie präsentiert und damit vielleicht auch andere von der notwendigen und sinnvollen Umsetzung überzeugt. Auf der anderen Seite mindestens ebenso wichtig: das Wissen, wie sich Ideen von anderen effektiv werten lassen, um als Führungskraft entscheiden zu können, welche Ideen tatsächlich Potential haben.
„Wenn man weit genug in die Tiefe geht, stellt man fest, dass sehr wenige Elemente die Kernursachen bzw. die Basis bilden und durch Ursache-Wirkungs-Verbindungen das gesamte System beherrschen. Das Ergebnis einer systematischen Anwendung der Frage ‚Warum?” ist nicht enorme Komplexität, sondern im Gegenteil wunderbare Einfachheit.” Eliyahu M. Goldratt, The Choice
Positiv ist, dass sich Konsequenzen aus Handlungen, die aus eigenen und fremden Ideen entstehen, logisch fundiert „vorhersehen” lassen und wir so negative Auswirkungen systematisch vermeiden und positive bei Bedarf verstärken können.
Der Logische Zweig
Der Logische Zweig (englisch „Branch Tool”) ist ein Denkwerkzeug der Theory of Constraints (TOC), um kausale Zusammenhänge graphisch darzustellen, zu analysieren und damit die Auswirkungen frühzeitig erkennen und beeinflussen zu können. Aus einer Ursache wächst ein Logischer Zweig aus Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen, die schließlich in einem positiven oder negativen Resultat endet. Folgende Annahmen liegen der Methode zugrunde:
Alles ist logisch analysierbar und verstehbar.
In komplexen Systemen sind alle Elemente wie in einem Netzwerk dicht verwoben (also voneinander abhängig und beeinflussen sich gegenseitig).
Auswirkungen in der Zukunft können mithilfe von Logik „vorhergesehen” werden.
Menschen verhalten sich logisch; scheinbar unlogisches Verhalten bedeutet, dass dem Beobachter die Ursachen nicht bekannt sind.
Jede gute Idee kann substanziell verbessert werden.
Zu typischen Anwendungen des Logischen Zweiges gehören
Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge analysieren und verstehen,
Handlungskonsequenzen vorhersehen,
Anderen die Konsequenzen des Handelns bewusst machen,
Vorschläge konstruktiv kritisieren,
Ideen verbessern durch präventive Vermeidung negativer Konsequenzen,
Ideen verkaufen dank überzeugender und nachvollziehbarer Argumentationskette.
Der Logische Zweig nutzt Kausalitätslogik, um eine Idee, eine Handlung oder ein Ereignis mit einer möglichen Auswirkung in der Zukunft zu verknüpfen. Dabei gibt es zwei Varianten: Der Positive Zweig hilft mit seiner einfachen Struktur, den kausalen Zusammenhang zwischen Idee und erwartetem Nutzen besser zu verstehen, abzusichern und ein Gefühl der Kooperation zwischen den Beteiligten zu erzeugen. Der Negative Zweig dient – separat oder als Schritt 2 – zur logischen Analyse und Darstellung einer befürchteten negativen Nebenwirkung einer Idee oder eines Vorschlages. Ziel ist, eine wirksame Vorbeugemaßnahme zu finden, damit man die Idee oder den Vorschlag umsetzen und den Nutzen ernten kann, ohne dass die negative Nebenwirkung eintritt.
Kausalitätslogik
Wir alle bewegen uns in einem Umfeld, das von Ursache und Wirkung bestimmt wird. Etwas verursacht etwas anderes. Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge können sehr kompliziert und scheinbar unlogisch sein bzw. wirken, besonders in komplexen Systemen. Fast alles, was wir im Alltag als „Problem“ bezeichnen, ist eigentlich nur eine Auswirkung aus einer anderen Ursache. Kausalitätslogik bedeutet zum einen, dass die Ursachen hinreichend sind, um den Effekt zu erzielen. Und zum anderen, dass, wenn alle Ursachen vorliegen, der Effekt zwingend auftreten muss. Anwendungsgebiete der Kausalitätslogik in der Theory of Constraints sind
Kausalitätszusammenhänge verstehen,
die Kernursache einer unbefriedigenden Situation finden,
positive Auswirkungen in der Zukunft logisch „beweisen“,
logische Extrapolation von der Vergangenheit in die Gegenwart und von der Gegenwart in die Zukunft,
Auswirkungen und Konsequenzen voraussagen.
Ein Kausalitätsdiagramm wird wie nebenstehend dargestellt und so gelesen: „Wenn ich ins Wasser falle, dann bin ich nass.“
Ins Wasser zu fallen ist hinreichend, damit ich nass werde, und wenn ich ins Wasser falle, werde ich zwingend nass. Moment! Fällt uns eine Situation ein, in der man nicht nass werden muss, auch wenn man ins Wasser gefallen ist? Wir erkennen, dass die Logik noch nicht wasserdicht ist, weil wir bei der Formulierung des Beispiels Informationen oder Annahmen hatten, die wir nicht explizit gemacht haben. Zum Beispiel die Annahme: „Ich trage normale Straßenkleidung.” Diese fehlenden Informationen werden als „mitwirkende Ursachen” im Diagramm ergänzt und mit einer Ellipse, die eine logische „und“-Verbindung anzeigt, verknüpft:
Wenn zwei oder mehr Ursachen ohne verbindende Ellipse auf eine Effekt-Entität zeigen, bedeutet das eine „Oder“-Verbindung. Beide Ursachen können den Effekt unabhängig voneinander erzeugen:
Tipps für fundierte und nachvollziehbare Kausalitätslogik
Um dem menschlichen Gehirn die Arbeit mit Kausalitätslogik zu erleichtern, gibt es einige Regeln, wie Kausalitäts-Logikdiagramme formuliert werden sollten:
Verwenden Sie immer ganze Sätze („Gewinn” => „Der Gewinn steigt.“).
Verwenden Sie die Gegenwartsform.
Drücken Sie die Situation so aus, wie Sie sie sehen/erwarten, als wäre es real (Keine Fragen, keine Vermutungen: „würde”, „könnte“, … „Ich ziehe um“).
Nur ein Thema pro Satz/Kästchen („Wir gewinnen Kunden und steigern unser Ansehen).
Vermeiden Sie Aufzählungen.
Keine kausalen Zusammenhänge in einer Entität => Aufteilen auf 2 Kästchen.
Achten Sie auf eine einheitliche Wortwahl und vermeiden Sie Synonyme.
Benutzen Sie möglichst einfache Formulierungen, der Versuch, „schöne“ Wörter zu verwenden, kann die Verständlichkeit für andere beeinträchtigen oder sogar die Logik verfälschen. (Achtung: Vermeiden Sie unklare „Mode“-Wörter: „Accountability”, „Stakeholderbenefit“, „postfaktisch”, …)
Ersetzen Sie Schuldzuweisungen durch die Beschreibung möglichst beweisbarer und nachvollziehbarer Fakten und Konsequenzen: Stellen Sie sich vor, dass eine betroffene Person es liest. Wird diese sich respektiert oder angegriffen fühlen?
Gute Ideen und ihre Auswirkungen
Ein wichtiger Anwendungsbereich des Logischen Zweigs ist das konstruktive Feedback für Ideen anderer. Wir müssen einerseits sicherstellen, dass die Umsetzung der Idee zu keiner Verschlechterung führt. Andererseits erwartet der Erfinder einer Idee, der oft viel Zeit und Energie in die Entwicklung investiert hat, dafür gelobt zu werden, und versteht das Aufzählen möglicher negativer Auswirkungen als Kritik. Ein sinnvolles Vorgehen ist daher, zuerst die Idee zu loben, dann erst mögliche negative Konsequenzen aufzuzeigen und gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten. Der beste Weg, eine Idee zu loben, ist, zu zeigen, dass man die positiven Auswirkungen sieht. Das bedeutet, dass man einen positiven Zweig gut nutzen kann, in dem die positiven Auswirkungen der Idee dargestellt sind. Im Anschluss zeigt man mit einem negativen Zweig, welche negativen Auswirkungen entstehen könnten. Durch die Kausalitätslogik werden die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zwischen Idee und Auswirkung offensichtlich. Welche Wirkung hat es, wenn man dem Erfinder die Argumentationsketten in dieser Reihenfolge zeigt? Er erkennt, dass man sich ernsthaft mit seiner Idee beschäftigt hat und ihm bei der Umsetzung helfen will. Er wird mit hoher Wahrscheinlichkeit selbst eine Lösung für den aufgeführten negativen Nebeneffekt haben und nennen – oder er wird weiter darüber nachdenken. In jedem Fall: Ein positiver Ausgang des Gesprächs.
Logik und Emotion – Die Kategorien Legitimer Vorbehalte
„Menschen denken logisch und Emotionen sind auch logisch.“ Stimmt diese Behauptung? Die meisten würden darauf wohl antworten: Nein! Wir sagen: Ja! Logik bedeutet, dass Etwas kausalen Zusammenhängen folgt. Wenn jemand wütend ist, ist klar, dass diese Wut nicht grundlos ist, sondern kausal mit einem Auslöser zusammenhängt. Auslöser sind in der Regel gemachte Erfahrungen, Bedürfnisse und Denkmuster. Eine logische Ursache-Wirkungskette kann zeigen, wie diese zwingend zu einer bestimmten Emotion führen. Das heißt, in genau der gleichen Situation würde die gleiche Emotion auftreten. Wenn eine Person (von meinem Standpunkt aus) unlogisch zu handeln scheint, liegt das daran, dass ich ihre Handlung nicht aus derselben Perspektive sehe wie sie. Mir fehlen also Informationen, um dieselbe logische Ursache-Wirkungskette zu sehen. Statt die Person für ihr (aus meiner Sicht) „unlogisches” Verhalten zu verurteilen, macht es daher mehr Sinn, im Gespräch die Unterschiede in unserem Denken zu identifizieren, die dieses Unverständnis ausgelöst haben. Emotionen sind Teil der Intuition und können daher Hinweise auf Fakten und Zusammenhänge liefern, die wir nicht bewusst wahrnehmen. Ist eine emotionale Bewertung also ausreichend? Nein, Emotionen können auf den falschen Weg führen und ebenso aufgrund falscher Annahmen entstehen. Sie müssen also, wie jede These, bewusst analysiert werden. Die Kategorien Legitimer Vorbehalte erlauben es, eine Diskussion insgesamt zu versachlichen – ohne dabei die Emotionen zu ignorieren.
Wie oft tun wir etwas nicht, weil wir negative Konsequenzen fürchten? Und wie oft bereuen wir etwas, das wir getan haben? Es gibt wohl kaum Menschen, die auf diese Fragen mit „Niemals“ antworten. Manche wagen viel und bereuen viel, andere wagen wenig und bereuen das am Ende ebenso. Wie oft haben wir eine tolle Idee, können den Nutzen aber nicht überzeugend genug kommunizieren, um unsere Idee zu verkaufen? Wie oft haben Mitarbeiter einen auf den ersten Blick tollen Vorschlag, ohne dass sie selbst oder Führungskräfte erkennen, dass diese Idee sich negativ auswirken könnte? Wie oft gehen Menschen mit einem schlechten Gefühl aus solchen Gesprächen? Alles gute Gründe, um sich einmal intensiver damit auseinanderzusetzen, wie die Transformation toller Ideen gelingt – vom ersten Geistesblitz, über eine starke Präsentation bis hin zur gelungenen Umsetzung.
Mehr zum Arbeitsbuch „Transformation toller Ideen“ finden Sie hier.
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