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AutorenbildUwe Techt

Konflikt = Trainingsgelegenheit? - Ich will nicht in den Kindergarten! Teil 4

Aktualisiert: 25. Dez. 2023

Die Backstory versäumt? Hier gehts zur Kindergarten-Geschichte: Teil 1, Teil 2, Teil 3


Bestimmt haben Sie Erfahrung mit Beratern oder Coaches. Es geht ja heutzutage kaum mehr ohne. Und es gibt solche und solche. Solche, die helfen Knöpfe im Kopf oder der Organisation zu lösen und plötzlich geht alles viel leichter.

Und dann gibt es die anderen...


Der schlimmste Coach meines Lebens

Erinnern Sie sich an den unangenehmsten Coach oder Berater, den Sie je erlebt haben?

Was machte ihn so unangenehm?

Wenn Sie seine Gedanken hätten hören können, was hätten Sie wahrscheinlich gehört?

Vielleicht etwas wie:

  • "So ein Idiot. Der hat wirklich keine Ahnung."

  • "Immer dasselbe Gerede, 'wir sind anders'. Die sollen einfach tun, was ich sage."

  • "Das hab ich doch schon zehnmal erklärt, wann kapiert er das endlich?"

  • "Diese ständigen Ausreden. Die wollen einfach keine Veränderung."

Wenn Sie irgendeinen Einfluss darauf hatten: wahrscheinlich haben Sie nicht lange mit dieser Person zusammengearbeitet.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie nicht gerade jetzt in einem großen Auftrag mit so jemandem feststecken.


Aber eigentlich wollten wir über Kinder sprechen.

Genauso wie Sie die respektlose Haltung des Beraters oder Coaches wahrgenommen haben, hören und spüren Kinder respektlose Haltungen in Erwachsenen, mit denen sie zu tun haben.


Auch, wenn man genau die richtigen Dinge tut und sagt: wenn man sie nicht auch meint, also innerlich die entsprechende Haltung hat, merkt das ein Kind (und die meisten Erwachsenen auch).

Haltung lässt sich also schwer verbergen und schwer vortäuschen.


Aber zurück zu Kindern und Respekt.


Kinder erwarten Respekt? Wo kommen wir da hin!

Interessant, oder?

Wenn ein Kind einen Erwachsenen (oder andere Kinder) ignoriert, unterbricht, auslacht oder warten lässt, gilt das als schlecht erzogen.

Gleichzeitig ist es in unserer Gesellschaft völlig normal, dass Erwachsene Kindern keinen Respekt zollen.

Dass sie Kinder ignorieren, unterbrechen, auslachen oder warten lassen, ohne einen Gedanken darüber zu verlieren.


Ich bin ja erst seit vier Jahren Mutter, aber auch mir ist das alles schon passiert.

Besonders in Gegenwart anderer Erwachsener muss mein Kind oft zurück stecken.


Dabei weiß ich aus meiner eigenen Kindheit, dass man sich als Kind als vollwertiger Mensch sieht, und erwartet freundlich behandelt zu werden.


Es gibt keinen logischen Grund, Kinder respektlos zu behandeln. Ich verstehe, dass sie respektvoll behandelt werden wollen, auch von ihren Eltern.

Es ist genauso, wie ich auch von meinen Vorgesetzten erwarte, dass sie mich respektvoll behandeln, auch wenn sie mir Anweisungen geben dürfen.


Und trotzdem: Es ist für mich wie ein Reflex! (Ich frage mich, ob ich besonders diese Momente des Ignorierens von Kindern ohne meine langjährige Meditationspraxis überhaupt bemerken und als inkonsistent wahrnehmen würde.)


Vielleicht ist das Missachten von Kindern in Gefahrensituationen (und wir entwickeln ja Überlebensstress in z.B. politischen Diskussionen) auch eine alte Überlebensstrategie, die irgendwie in unserem Instinkt eingeprägt ist?


Womit ich sagen will:

Es ist völlig normal, Kindern nicht respektvoll zu begegnen! Das ist Teil unserer Kultur und vielleicht auch Natur.


Aber: Ist es hilfreich?

Hat Ihr unangenehmster Berater oder Coach mit seiner Haltung das erreicht, was er erreichen wollte?

Wäre Ihr Berater oder Coach vielleicht erfolgreicher gewesen mit einer respektvolleren Haltung?


Ein hilfreiche Haltung, die wirkt

Dr. Eliyahu M. Goldratt, israelischer Physiker und Erfinder der Theory of Constraints, beschrieb "Respekt" als eine der vier Grundhaltungen für eine wirksame Problemlösung, ein erfolgreiches Unternehmen und ein erfülltes Leben.


Doch Respekt ist ein schwieriges Wort. Es wird für viele unterschiedliche Konzepte (und im Zusammenhang mit Kindern vor allem auch als Synonym für "Gehorsam") verwendet.


Zum Glück hat Goldratt eine Definition mitgeliefert. Er meinte mit Respekt die Grundhaltung: "Menschen sind gut. Finde die falsche Annahme oder den Fehler im System!" als direkten Gegensatz zur in vielen Unternehmen (und Familien) üblichen Schuldigensuche.


Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schnell man in die Haltung: "Wenn mein Kind nur so oder so anders wäre, dies oder das anders machen würde!" kommt.


Gleichzeitig weiß ich auch aus eigener Erfahrung, wie ungehalten und unkooperativ ich selbst auf Schuldzuweisungen reagiere.


Kooperativ statt konfrontativ

Meine Haltung "korrigiere" ich gerne in Richtung "Respekt" mit Gedanken wie diesen:

  • Mein Kind darf und soll lernen, seine eigenen Interessen zu vertreten.

  • Es hat immer einen guten Grund für sein Wollen und Handeln.

  • Wir sind auf derselben Seite. Wir müssen nur das Missverständnis finden.

  • Solange mein Kind sich aufregt, habe ich es noch nicht richtig verstanden. Ein wichtiges Bedürfnis ist unerfüllt.

  • Super, ich habe die Gelegenheit, meinem Kind Problemlösungskompetenzen vorzuleben und beizubringen, die ihm als Erwachsener viel helfen werden.

Besonders der letzte Gedanke hilft mir, Konfliktsituationen auszuhalten und kooperativ nach einer Lösung zu suchen, statt sie mit Elternmacht schnellstmöglich zu beenden.


Ich will ja einen team- und beziehungsfähigen Erwachsenen hervorbringen, keinen (möchtegern) Diktator. Dann darf ich auch selbst nicht Diktator spielen. So verlockend es auch manchmal ist...


Und ein weiteres "Geheimnis" sind die TOC Denkwerkzeuge für mich: ihre einfachen Strukturen unterstützen mich darin, eine hilfreiche Haltung einzunehmen, gut zuzuhören und die richtigen Fragen zu stellen.


Als ich Goldratt vor vielen Jahren sagen hörte, er brauche kein Papier mehr sondern würde die Logikdiagramme im Kopf aufbauen, dachte ich, dass er ein Angeber sei und sich vielleicht vor dem Aufschreiben und der dadurch möglichen Prüfung durch andere drücken wollte.


Heute kann ich sagen: Ganze Gegenwarts- oder Zukunftsbäume sind vielleicht etwas viel, aber sowohl einen logischen Zweig als auch die Wolke mit ihren fünf Kästchen kann man mit etwas Übung gut in Gedanken als Leitfaden für ein Gespräch nutzen.


Die TOC Konfliktwolke ist so etwas wie eine Gehhilfe:

  • Man lernt mit ihrer Anwendung intuitiv wirksame Konfliktlösungsmethoden. Ohne je vom Harvard-Prinzip gehört zu haben, kann man es mit der Wolke einfach praktisch anwenden.

  • Und man trainiert gleichzeitig eine respektvolle, kooperative, konstruktive Haltung. Die Struktur der Konfliktwolke sorgt für Balance zwischen den Konfliktparteien und fördert Zuhören, Nachfragen und Offenheit.

Und mit der Zeit braucht man die Gehhilfe immer weniger und man hat die Haltung und die Art zu denken verinnerlicht;

Hinterfragt kausale Zusammenhänge und sieht beide Seiten eines Konflikts als gleichwertig und gleichberechtigt auf der Suche nach einer Win-Win-Lösung.


TOC Konfliktwolke: Das Harvard- Prinzip in der Praxis

Die Harvard-Methode fordert und die Wolke fördert:

  • das partnerschaftliche Lösen von Problemen, statt Kampf

  • den Fokus auf die Sache (inklusive Gefühlen und Bedürfnissen), statt auf die Menschen und darauf, wer "schuld" oder "schlecht" oder "böse" ist

  • den Fokus auf die Bedürfnisse (oder "Interessen" im Harvard-Prinzip) hinter den Positionen und wie diese erfüllt werden können, statt um Argumente für die eigene Seite zu wetteifern

  • die Suche von mehreren, alternativen Lösungsansätzen, statt "die eine perfekte" Lösung finden zu wollen

  • das Finden von echten Win-Win-Lösungen mit Mehrwert für alle.

Mit jeder erfolgreichen Anwendung verbessert sich die Problemlösungskompetenz und die Erfahrung verstärkt das Vertrauen in die Grundannahme: Menschen sind gut!

Konflikte beruhen auf falschen Annahmen oder Fehlern im System.


Wenn wir diese finden, können wir gemeinsam echte Win-Win-Lösungen schaffen.

Und auch wenn es mal schwierig sein kann, Win-Win-Lösungen zu suchen, sich gemeinsam anzustrengen ist um Welten besser als streiten.


Und wenn ich es schaffe, meinen Kindern das zu vermitteln, bin ich zuversichtlich, dass sie ihr Leben als Erwachsene meistern werden. Und einen Beitrag zu einer friedvolleren Welt leisten werden.


Das motiviert mich, Konflikte auszuhalten und konstruktives Verhalten vorzuleben.


Gelingt mir als Expertin natürlich immer! Oder...?

Wie allen Menschen gelingt mir das mal mehr und mal weniger.

Und manchmal gar nicht.


Und dann sage ich mir: auch das ist wichtig vorzuleben!


Mit Fehlermachen und dem Eingestehen davon verhindere ich, dass meine Kinder ein übertriebenes Idealbild von mir haben und schädlichen Perfektionismus entwickeln. :)


(c) Bild: Marta Piernikova

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